Der Torstraßenmagnat und Möbelmulti Rafael Horzon hat seine Lebensgeschichte niedergeschrieben: "Das weiße Buch" erscheint am Donnerstag im Suhrkamp Verlag. Man kann es in der Sach und Fach Buchhandlung kaufen oder auf unserem Facebook Profil gewinnen. Wir haben ihn einiges gefragt:
Rafael Horzon, magnate of Torstraße and furniture-tycoon has written down his life story: "Das weiße Buch" (The white book) will be released on Thursday. We met him to talk about his book, his future plans and, of course, Berlin:
Wie fühlt sich das an, dass in wenigen Tagen dein Buch erscheint?
Total normal, macht mir gar nichts aus. Bei mir ist sowieso immer Ausnahmezustand.
Hast du keine Erwartung an die Reaktionen?
Ich bin ja so mit Vorschusslorbeeren überschüttet worden von den ganzen Journalisten, die das Buch vorab bekommen haben. Und wenn alle anderen Menschen auf der Welt das auch so gut finden, dann bin ich übermorgen Millionär.
Würdest du es Autobiografie nennen?
Ja, eine Unternehmer-Autobiografie.
Wieso hast du es geschrieben?
Ich wurde von Christian Kracht dazu gezwungen. Er hat gesagt: "Rafael, Sie müssen nun sofort Ihre Autobiografie schreiben!" Und dann hab ich das halt gemacht. Übrigens war das ausnahmsweise mal ein Projekt, bei dem ich mir nicht überlegt habe, wie könnte ich mit der nächsten Idee möglichst viel Geld verdienen. Und die Ironie ist natürlich, dass es diesmal offensichtlich klappt. Ich werde nun sehr reich werden.
Das Geheimnis des Erfolges ist also, es nicht zu sehr darauf abzusehen. Hätte dir vor 15 Jahren jemand diesen Rat gegeben...
... dann wäre der Welt vieles erspart geblieben.
...und die Torstraße hätte erheblich mehr Leerstand. Aber das Buch endet ungefähr 2008. Hast du jetzt zwei Jahre an dem Buch geschrieben?
Nein, zwei Wochen. Ich habe mich zwei Wochen in meiner Arbeitsstube in der Torstraße eingeschlossen und als ich rauskam war ich sehr abgemagert und hatte einen langen Bart. Und das Buch war fertig. Ich habe dann auch kein einziges Wort mehr geändert.
Gehört dir eigentlich die ganze Torstraße?
Nein, noch nicht. Ich habe hier allerdings die letzten zwölf Jahre gearbeitet, angefangen 1997 mit der Wissenschaftsakademie Berlin, bis jetzt, mit der Sach und Fach Buchhandlung. Und seit fünf Jahren wohne ich auch hier.
Wieso denn eigentlich die Torstraße?
Wenn ich hier aus dem Fenster sehe, dann passiert sehr viel, egal zu welcher Uhrzeit. Hier gibt es sechs Spuren Autobahn und vier Straßenbahnspuren, das hält irgendwie auch das Gehirn in Trab. In einer Strasse, in der nichts passiert, oder noch schlimmer, auf dem Land, da würde man wahrscheinlich nur über die nächste warme Mahlzeit nachdenken, oder über das Fernsehprogramm am Abend.
Aber es ist nicht gerade die schönste Straße von Berlin?
Wieso? Welche wäre denn schöner?
Na, wenn man den Umbau des Rosenthaler Platzes anschaut...
Als Unternehmer finde ich es falsch, sich über solche Veränderungen aufzuregen. Ohne Unternehmergeist keine Entwicklung. Und dass alles so bleibt wie es ist, kann niemand im Ernst wollen, denn dann wären wir ja logischerweise immer noch in der Steinzeit. Man muss aufhören, den alten Zeiten hinterherzutrauern.
Warst du schon mal in Kreuzberg?
Ja, das fand ich aber irgendwie nicht so gut, in Kreuzberg. Ich war aber auch einmal in Charlottenburg, da hatten alle Lederslipper an, und Steppjacken und darunter St. Tropez- Sweatshirts, das war natürlich auch katastrophal.
Du bleibst also in Mitte?
Ich bin ja nun schon sehr alt und werde mich bald aus dem öffentlichen Leben zurückziehen. Ich werde ab jetzt nur noch Spazierengehen, auf der Torstrasse. Vielleicht ziehe ich aber auch bald nach Nizza.
Dein Mitbewohner Heinrich ist ja so der typische Berliner, wie ihn sich der Münchner vorstellt.
Dazu muss man aber sagen, dass Heinrich seiner Zeit um Jahrzehnte voraus war. Da geht es um die Zeit um 1995, da fing er mit diesen merkwürdigen Brillen und den bunten Tüchern um den Hals an, die jetzt hier alle tragen, und Vollbart. Allerdings trug er zum Vollbart damals auch schon Haarnetze und High Heels und Brillantohrringe, das wird dann wohl das sein, was die Leute 2020 am Rosenthaler Platz alle tragen.
Übrigens ist er schon vor vier Jahren nach Wedding gezogen, und vor ein paar Tagen nach Nigeria. Mitte ist demzufolge erledigt und hoffnungslos hinterher. Ich werde also definitiv nach Nizza ziehen.
Der Berliner macht ja alles, aber nichts richtig. Alle haben tausend Ideen und sind am Ende alle Künstler. Viele schauen von außen auf die Stadt und verstehen gar nicht, wie das funktionieren kann.
Ich verstehe das auch nicht. Wahrscheinlich haben die alle Eltern, die ihnen Geld schicken, oder sie handeln heimlich mit Drogen. Bei mir war es gottseidank so, dass der Möbelladen von Anfang alles finanzieren konnte. Ich hatte ja seither nur noch finanzielle Fehlschläge: Meine Partnertrennungsagentur, mein Fachgeschäft für Apfelkuchenhandel, ein Fiasko jagte das nächste. Aber wie die anderen das machen? Darüber muss ich mir jetzt zum Glück nicht mehr den Kopf zerbrechen. Ich habe meinen Flug nach Nizza schon gebucht.
Nur für den Winter?
Mal sehen, auch der Sommer an der Côte ist sehr schön.
Das heißt du bist jetzt durch mit Berlin?
Ja. Komplett. Ich komm hier nie wieder hin. Ich kaufe mir einen Bambusspazierstock, mache meinen Bart noch ein wenig dünner und gehe den ganzen Tag auf der Promenade hin und her. Ich habe nun so lange in Berlin gelebt, ich habe alles getan, was getan werden musste und alles gesagt, was gesagt werden musste. Und ich habe mit meinem Buch Rechenschaft abgelegt und endgültig mit meinem Leben hier abgeschlossen. In dem Buch wird ja schonungslos alles aufgedeckt, es gibt jetzt keine weißen Flecken auf meiner Lebens-Karte mehr. Es ist eine Beichte, ich habe mich entblättert.
Das ist mit vierzig ja recht früh...
Ehrlich gesagt habe ich meine erste Autobiographie sogar schon mit 20 geschrieben. Sie hieß "Mein Leben", es handelte hauptsächlich von meiner Zeit zwischen 19 und 20. Und sie bestand eigentlich nur aus Fotos. Das Buch ist mit der Auflage von eins erschienen und war ein großer Erfolg. Besonders in dem Haus in der Straße in München wo ich damals gewohnt habe. In München bin ich aber nicht wirklich heimisch geworden, auch wenn ich heute als Tourist gerne hinfahre. Dann bin ich nach Berlin gekommen und habe mich sehr wohl gefühlt.
Woran lag das?
Das Essen ist hier einfach besser.
Willst du mit dem Buch auch Vorbild sein?
Natürlich, absolut. Es geht ja auch um ernsthafte Anliegen, das Buch soll Leitfaden sein für eine verunsicherte Jugend.
Ich hab beim Lesen sehr gelacht...
Das ist ein Trick. Ich habe ja ein Sachbuch geschrieben, das sich als Unterhaltungsliteratur tarnt. Sonst würde es ja keiner lesen. Docere et delectare: Lehren und unterhalten. Das vergessen ja die meisten Sachbuchautoren. Wenn man zum Beispiel dieses Buch hier ansieht ((greift sich ein Buch, das zufällig auf einem der Bürotische liegt)): Peter Hahne, "Schluss mit lustig. Das Ende der Spaßgesellschaft." Was steht hier auf dem Buchrücken? "Holt Gott zurück in die Politik.". Oder: „Peter Hahne fordert die Rückkehr zu stabilen Werten, zur Erneuerung unserer labilen Gesellschaft.“ Eigentlich genauso wie ich, das ist ja verrückt! Aber mit so einer Aufmachung kann man natürlich niemanden packen. Das funktioniert nicht. Unterhaltungswert gleich null. Obwohl mich das schon überrascht, genau dieselben Themen wie in meinem Buch. Das kann man durchaus nebeneinander stellen.
Das geht ja auch in Richtung deiner Religion der "Neuen Wirklichkeit".
Das ist nicht Religion, das ist Politik. Die Neue Wirklichkeit ist die Wirklichkeit, die wir alle anstreben müssen, weil in der neuen Wirklichkeit alles neu und interessant ist. Im Gegensatz zu alt und uninteressant, so wie jetzt.
Wie wirst du diese Lehre in die Welt tragen?
Das ist mit dem Buch schon abgeschlossen. Ich werde jetzt nur noch spazieren gehen und warten, bis alle Das Weisse Buch gelesen haben, der Rest kommt von alleine.
Deine ersten Jahre in Berlin beschreibst du detailreich, aber die Jahre seit ungefähr 2003 erzählst du sehr schnell..
Das hängt mit der Situation in dem Arbeitszimmer zusammen, in dem ich mich eingeschlossen hatte, um das Buch zu schreiben. Ich habe nach zehn oder zwölft Tagen solch einen Hunger bekommen, da musste ich im letzten Teil plötzlich sehr schnell zum Ende kommen.
Man bekommt natürlich schon das Gefühl, dass früher in Berlin wahnsinnig viel los war und vor allem alles möglich. Und jetzt?
Wahrscheinlich ist heute genauso viel los wie damals. Aber ich bekomme in meinem Alter davon natürlich nichts mehr mit.
Dich interessiert der heutige Zustand von Berlin also gar nicht so sehr?
Ich glaube, dass die Möglichkeiten vor allem mit einem selbst zu tun haben. Das hat ja auch nichts mit Geld zu tun. Niemand braucht Geld, um gute Idee zu haben. Ich finde dieses Haus von Brandlhuber in der Brunnenstraße gut, das sieht sehr gut aus und wurde sehr billig gebaut. Das interessiert mich. Ich habe jetzt mit Helene Hegemann gerade eine neue Filmfirma gegründet und wir arbeiten an einem neuen Dogma. Der wichtigste Punkt: Pro Filmminute 100 Euro Budget. Also 9000 Euro pro Film. Ich muss da gleich mal anrufen, ob in dem Haus noch ein Büro frei ist...
Du hast gerade Helene Hegemann angesprochen...
Ja, sie macht gerade ein Praktikum in meiner Buchhandlung, und ab Oktober fängt sie bei uns zuhause an, als Au Pair.
In Nizza?
Nein, noch in Berlin.
Ihr erstes Buch lief ja nicht so gut...
Wie bitte? Natürlich! Ich hab das Buch nicht gelesen, ich lese ja keine Bücher. Aber das war strategisch natürlich alles absolut brillant.
Was möchtest du denn, was die großen Literaturkritiker über dich schreiben?
Ach, wer liest morgen schon noch die Zeitungen von gestern! Das ist mir alles völlig egal. Sogar der Literatur-Nobelpreis ist mir egal, seitdem Günter Grass den bekommen hat. Obwohl ich gestehen muss, dass ich auch mein Buch nach Stockholm geschickt habe, an die Kommission... Aber viel wichtiger ist mir, dass mein Buch gelesen wird, und zwar noch in fünfhundert Jahren, als Pflichtlektüre in allen Schulen.
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Die Veröffentlichung des Buches wird am Donnerstag mit einer pompösen Gala genannt "Die weiße Nacht", in der Kantine am Berghain gefeiert.
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Monday, September 20, 2010
Interview: Rafael Horzon
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