„Das Ende des Buches“ wurde im Laufe der digitalen Entwicklung mehrfach vorausgesagt und scheint spätestens mit Erfindung des eBook Reader eine unbestreitbare Tatsache. Wie aber lässt sich das Medium Buch im Zeitalter von web 2.0 weiterdenken und gegenüber der hohen Speicherkapazität sowie der neu entfachten Autorschaftsdebatte durch das Internet behaupten? Anja Lutz und Axel Lapp, Gründer des The Green Box-Verlages, stellen sich der Herausforderung und präsentieren seit 2005 hochwertige Künstlerbücher und -monographien, die in ihrer komplexen Verzahnung von Design und Inhalt auf dem deutschen Buchmarkt ihresgleichen suchen. Wir haben die beiden in ihren Verlagsräumen im Prenzlauer Berg besucht und mit ihnen über ihr künstlerisches Programm und die Zukunft des Buches geredet.
"The end of print" was predicted countless times and with the development of eBook readers this end seems to be irreversible. Can we think beyond the traditional form of the book in the age of web 2.0 and find a new form that stands the test against the endless digital memory capacity? Anja Lutz and Axel Lapp founded "The Green Box" publishing house to accept this challenge and present artist's books, that are unparalleled in their inticrate bond of design and content. We met them in their offices in Prenzlauer Berg to talk about their program and the future of print. Unfortunately, this interview is as yet only available in German.
Jana Häckel: Wie seid ihr zu der Gründung eures Verlages gekommen?
Anja Lutz (Lu): Wir haben uns über einen gemeinsamen Bekannten kennengelernt – ich hatte zuvor schon als Grafik- und Buchdesignerin an Publikationen gearbeitet und mit dem Gedanken gespielt, dies auszuweiten und einen Kunstbuchverlag zu gründen..
Axel Lapp (La): Ja – die Idee war einfach Kunstbücher zu machen. Wir hatten uns umgeschaut und festgestellt, dass man wenn man in einen Buchladen hineinkommt und ein Buch in die Hand nimmt schnell feststellt, dass man das meiste eigentlich überhaupt nicht braucht... das Medium wird quasi verschenkt. Den Ausstellungskatalog im traditionellen Sinne braucht man ja heute auch nicht mehr, es ist unbequemer auf Papier zu drucken, Information kann man viel besser im Internet zur Verfügung stellen. Das Schöne daran mit dem Buch als künstlerisches Objekt zu arbeiten ist, dass dann wirklich etwas eigenes entsteht, etwas das über das Aufzählen von Abbildungen und etwas wissenschaftlichen Texten hinaus geht. Das wollten wir eigentlich machen und deshalb haben wir uns zusammen getan.
Lu: Wir hatten dabei eben auch eine ähnliche Vorstellung, wie so ein Buch eine Schnittstelle zwischen Dokumentation und Kunstwerk sein kann... dass man versucht genau da hinein zu gehen, wo das Buch Teil der künstlerischen Arbeit wird.
Wie genau gestaltet sich denn euer Programm, an dieser Schnittstelle zwischen Künstlerbuch und -dokumentation ?
Lu: In erster Linie Künstlermonografien. In den meisten Fällen geht es tatsächlich um eine Arbeit eines Künstlers, was uns natürlich auch die Möglichkeit gibt, intensiv auf diese einzugehen und genau daraus Konzepte, Inhalte und Formen zu entwickeln.
La: Die Auswahl entsteht dann irgendwie – wir sind ja auch viel unterwegs, gucken uns viele Ausstellungen an. Zum Teil gehen wir auf Künstler zu und sagen: „Wir finden deine Arbeiten spannend, wenn du ein Buch machen möchtest, lass uns doch etwas zusammen entwickeln.“. Zum Teil sind es aber auch Leute, die auf uns zu kommen und sagen, sie hätten so und soviel Bücher gesehen, finden sie sehr spannend und möchten sie in ihrem eigenen Zusammenhang präsentiert sehen. Das passiert auch eigentlich umso mehr wir Bücher vorzuweisen haben, die sich die Leute dann auch angucken. Es sind ja schon auch sehr unterschiedliche Bücher mit dabei – es geht von Reinhard Kühl, wo es wirklich „das Objekt im Kunstwerk ist“, wo es auch überhaupt keinen erklärenden Text oder sonst etwas dazu gibt und das Buchobjekt gleichzeitig die Publikation darstellt. Dann gibt es Bücher, die ein bisschen mehr erklären, ein bisschen mehr Katalogcharakter annehmen, wie beispielsweise das von Daniel Gustav Cramer ), den wir eben gerade gemacht haben. Der einfach eine Auflistung von vielen verschiedenen Arbeiten umfasst, aber in dem Zusammenhang wie das Buch gestaltet ist, dann auch wieder zu einer eigenen Arbeit werden lässt. Oder aber wie es das Omer Fast-Buch gezeigt hat, das eigentlich ein herkömmlicher Katalog ist, in dem man einige Abbildungen und Texte von Kuratoren hat, aber so wie es von ihm gestaltet und konzipiert wurde, darüber dass über die Fußnoten noch eine ganz neue Eben darauf gelegt wird und somit das ganze auch wieder zu einem Künstlerbuch wird. So ergibt sich dann einfach ein Spektrum vom reinen Objekt bis zum mehr informativen Objekt. Und dann sind auch noch ein paar Sachen dabei, wie etwa "A Brief History of Working with New Media Art", wo wir einfach das Gefühl hatten, dass es gut wäre in die theoretische Richtung zu gehen und da ein paar mehr Sachen zu machen.
...welches dann ja auch in Interviewform publiziert worden ist...
La: Ja – das ist dann zufällig auch in Form des Interviews entstanden, wobei es dadurch kam, dass es ein Projekt in Zusammenarbeit mit CRUMB war, basierend auf deren Diskussionen in Sunderland, in Nordengland. Sie haben die Geschichte der Neuen Medien über 10 Jahre erforscht und das eigentlich immer über die Herangehensweise des Interviews gemacht.
Wo genau kann man denn eure Bücher ansehen und kaufen? Wie regelt ihr den Vertrieb?
Lu: Wir haben einen ganz normalen, professionellen Kunstbuchvertrieb, den Vice Versa Vertrieb, der auch eine ganze Reihe anderer Kunstbuchverlage vertritt. Deren Vertreter reisen und bieten etwa in Kunstbuchhandlungen unsere Bücher an an und regeln welche Buchhandlung dann auch wirklich welche Bücher wann in welcher Menge bestellt. Wo unsere Bücher dann am Ende landen, da haben wir natürlich gar keinen Einfluss drauf. Bestellen kann man sie auch ganz normal online über Nacht via ISBN-Nr. und über unsere Homepage. In den Buchhandlungen ist es dann wirklich von dem aktuellen Anlass abhängig, wie etwa einer Ausstellungseröffnung, welche Bücher auf Lager sind.
Noch einmal zurück zu euren Anfängen – ihr habt gesagt, dass ihr aus einer Art „Mangel“ an hochwertigen Büchern begonnen habt, selbst zu verlegen. Nun ist die Kunst am Buch in Deutschland im Vergleich zu etwa der Schweiz oder Österreich, ja vergleichsweise spärlich besehen - wie waren denn bisher die Reaktionen auf eure Publikationen?
La: Schon sehr positiv. Im Feuilleton ist es natürlich immer schwierig, die brauchen ja meist einen Aufhänger und wir haben ja auch einige Künstler, die nicht so bekannt sind... Das ist manchmal schwierig, sie unterzubringen – das Feuilleton funktioniert einfach anders, mit großen Namen. Sie sind beispielsweise super schnell angesprungen, als wir das Buch mit Hannah Höch gemacht haben und bei allen anderen halten sie sich relativ zurück. Aber die Rückmeldungen, die wir sonst so bekommen, sind einfach sehr gut. Wir waren vor 10 Tagen auf der Londoner Kunstbuchmesse und das schönste waren einfach ein paar Studenten, die eine Stunde bei mir am Stand verbracht haben und sich alles ganz genau angeschaut haben, dann weiter sind und kurz vor Verlassen der Messe noch einmal bei mir vorbei geschaut haben und sagten: „Ihr habt doch die schönsten Bücher!“. Das macht dann einfach Spaß – die haben zwar kein einziges gekauft, aber vielleicht tun sie das nächstes Semester... (lacht) Ich denke auch, dass all die Künstler mit denen wir zusammen gearbeitet haben, sehr glücklich waren...
Lu: ... denn wir arbeiten ja auch sehr eng mit den Künstlern zusammen und entwickeln gemeinsam von ihren Arbeiten ausgehend Konzepte und Gestaltung.
Wie muss man sich das vorstellen? Kommen die Künstler dann hierher zu euch in den Verlag, ihr setzt euch gemeinsam an einen Tisch und beginnt zu arbeiten?
Lu: Ja. Die konzeptionellen Ideen entwickeln wir tatsächlich gemeinsam – am Anfang steht die Frage „Was ist das? Worum geht es und kann so etwas wirklich in Buchform übersetzt werden?“. Dieser Sprung vom Kunstwerk, von der Übersetzung vielleicht installativer Werke in Buchform. Diese Übersetzung verändert natürlich die Arbeit, aber man kann hierdurch auch wiederum andere Aspekte des Werks hervorheben, die vielleicht im Ausstellungsraum nicht möglich sind – in genau dieser Arbeit liegt der spannende Moment.
Gibt es denn trotz der Unterschiedlichkeit der von euch bisher publizierten Werke, ein verbindendes Element in den Büchern, etwa in Design, Haptik, Informationsgehalt...?
Lu: Das entwickelt sich tatsächlich ganz individuell mit den Projekten, wobei vor allem die Haptik ein besonders wichtiges Element im Buch ist – die Größe, das Gewicht, das Papier. So wie man das Buch aufschlägt, das wird ja auch alles Teil des Erlebens der Kunst – all das sind Elemente die an das Werk heranführen. Genau darum geht es, darum all die Möglichkeiten, die man mit dem Buch hat, auch wirklich voll auszuschöpfen; sowie um die Haltung zum Buch, darum wie man Kunst in dem Format Buch erlebbar machen kann. Denn das spannende am Buch ist ja tatsächlich, dass oftmals die Arbeiten, vor allem installative, ephemer sind, einfach verschwinden und somit nur im Buchformat dauerhaft Bestand haben können... hier leben sie ja weiter. Um so wichtiger ist es, in der ganzen Ausdrucksart, in Typographie, Bildsprache, aber auch Gewicht, Format und theoretischem Teil, die künstlerische Arbeit weitergehend erleb- und erfahrbar zu machen.
Dem Hannah Höch „Bilderbuch“ habt ihr eine CD mit gelesenen Texten von Peter Carlberg, Höchs Neffen, der ihre Verse vertont hat, beigefügt – ist das Arbeiten mit Sound eine einmalige Angelegenheit gewesen oder plant ihr weitere Projekte in diese Richtung?
Lu: Es gab bereits andere Projekte, bei denen wir Medien beigefügt haben, wie etwa bei den Videoarbeiten von Lene Berg.
La: Ja, ganz generell macht es Sinn, wenn man Bücher über Videoarbeiten macht, da es so schwierig ist klarzustellen worum das Projekt geht. Videos kann man ja eigentlich nur beschreiben – mit Fotos kann man sie nicht wirklich erklären. Wir hatten das jetzt gerade sehr schön in dem Julian Rosefeldt Buch, das um eine einzige Arbeit geht und einen schönen Eindruck von dem Projekt vermittelt, aber es niemals ersetzen kann. Man kann es wirklich nur reproduzieren indem man in der Ausstellung drin steht und sich die 4-Kanäle anguckt. Es gibt sicherlich immer wieder mal den Fall, indem man statt so einen aufwändigen Bildteil für das Buch zu gestalten, lieber eine Cd mit hinein nimmt und sich somit den Film von zu Hause aus anzuschauen kann. Dies stößt aber natürlich immer auch auf Probleme mit den Künstlern und Galeristen, die natürlich nicht wollen, dass das Werk in dieser Form erhältlich ist...
Lu: Es gibt jetzt eine aktuelle Überlegung mit Monica Germann und Daniel Lorenzi, zwei Künstler aus der Schweiz, die große Wandarbeiten machen und mit denen wir ein gemeinsames Buchprojekt vorbereiten. Dadurch dass sie einen sehr starken Bezug zur Musik haben und selber auch als DJs arbeiten, bietet sich die Überlegung eine CD mit reinzunehmen natürlich an... aber das ist noch im Gespräch.
An welchen Projekten arbeitet ihr denn z. Zt. sonst noch, mögt ihr verraten was als nächstes kommt?
Lu: Was gerade im Druck ist und in 10 Tagen fertig sein wird, ist Sonia Boyce -
La: ...das ist eine englische Künstlerin, die gerade eine Ausstellungsserie gemacht hat, die sich um das Thema Liebe, in auch immer welcher Variante, dreht. Das Buch fasst zum Teil diese Elemente zusammen, ist darüber hinaus aber auch noch ein kleines Handbuch zu Sonias „Kosmos der Liebe“ – das hört sich jetzt fürchterlich kitschig an, ist es aber überhaupt nicht, es ist viel mehr eine Begriffsklärung, zum Teil philosophisch, zum Teil aus dem persönlichen Erleben hinaus.
Ihr habt vermehrt euer Interesse an einer engen Zusammenarbeit mit den Künstlern betont – wie genau sind denn die Rollen zwischen euch und den Künstlern im Prozess der Buchwerdung definiert?
Lu: Also meine Rolle ist natürlich ganz klar, als Buchdesignerin praktisch dort den Beitrag zu leisten und zu fragen wie kann man Ideen formal umsetzen, d.h. produktionstechnisch, gestalterisch, typographisch den ganzen Charakter von einem Buch zu erarbeiten. Und konzeptionell ist es etwas, das wir gemeinsam mit den Künstlern besprechen. Gerade bei Sonia Boyce gab es zum Beispiel den Fall, dass sie sagte, dass Roland Barthes „Fragmente einer Sprache der Liebe“ einen ganz wichtigen Punkt in ihrem Werk darstellt und tatsächlich übernimmt jetzt diese freie Struktur aus Barthes Buch einen wichtigen Teil in unserer Publikation ein.
La: Ein anderer Fall sind Bryndís Snæbjörnsdóttir and Mark Wilson, zwei Künstler, die vorwiegend in England und in Island arbeiten. Sie hatten ein großes Forschungsprojekt in Lancaster, wo auch gerade die Ausstellung zu sehen ist, „zu allem möglichen größeren Getier, das uns umgibt“ - Tauben, Füchse, Ameisen etc. Bei der Ausstellung gibt es Objekte zu sehen, aber auch eine Wand mit Lautsprechern und Interviews, auf denen die Erfahrungsberichte verschiedener Menschen mit Tieren zu sehen und hören sind. Die Arbeit ist nicht nur die Ausstellung die gerade läuft selbst, sondern auch das Material, das die ganzen Wochen und Monate zuvor in Interviews, Radiosendungen, auf eine Website etc. dazu gesammelt wurde. Wir arbeiten gerade an der Publikation, die dann in einer Art Handbuch oder Naturführer herausgegeben werden soll.
Lu: ...hierbei geht es vor allem um den Grenzbereich zwischen Stadt und Land, wo Natur existieren darf, vielleicht sogar auch gewünscht ist, aber eben auch nur begrenzt toleriert wird.
Woher kommt eure Verbindung zu britischen Künstlern?
La: Ich habe lange in England gelebt und kenne hierdurch sehr viele Leute dort...
Lu: ...und ich hab dort auch lange studiert und so ergab es sich einfach, auch durch die Kontakte.
Lasst uns doch noch einmal ein wenig mehr über das Buch als Medium reden – wie seht ihr denn die Rolle des Buches, quasi an der Schnittstelle zwischen Informationsquelle, die auch online verfügbar gemacht werden kann und Erfahrungswert, der beim Buch ein ganz anderer ist?
Lu: Für mich geht es wirklich darum, dass in den 90ern prognostiziert wurde, dass Print tot sei. Auch damals dachte ich schon, dass es so nicht kommen wird. Denn das was vom Internet wirklich meist besser geleistet werden kann, ist die Form der Dokumentation, der Archivierung. Diesen Aspekt habe ich nie als Problem für die Printmedien gesehen, denn ein Stück weit hat das Internet die Druckerzeugnisse ja auch von einem Problem befreit, nämlich davon ein reines Dokumentationsmedium zu sein. Und ich denke, dass ich mich dadurch ganz anders auf die wirklichen Qualitäten des Buches konzentrieren kann: es ist ein Objekt, es ist Raum, aber auch Zeit – es hat einen Anfang, eine Mitte, ein Ende. Man blättert es durch, es hat einen Geruch und spricht somit die Sinne noch einmal ganz anders an Es kann dadurch eine Erlebbarkeit oder Lebendigkeit erzeugen, die in dieser Form im Internet nicht möglich ist. Genau da liegt der Moment, indem die Arbeit mit dem Medium Buch für mich wieder interessant wird, genauso wie für die Kunst. Einen Ausstellungskatalog kann man sich vom Informationsgehalt ja auch prima via Internet anschauen...
...wobei sich hier wiederum die Frage der Bezahlung stellt. Wie soll man den online - Ausstellungskatalog denn bezahlen, etwa als download-Datei?
La: Aber gerade im Museum ist es doch ein Zuschussgeschäft – ein Museum erwirtschaftet ja nichts über die Kataloge, außer vielleicht bei der großen Gauguin- oder MOMA-Ausstellung, bei der sich 50.000 Kataloge verkaufen lassen. Doch der normale Ausstellungskatalog in einer normalen Institution in Berlin ist ein Zuschussgeschäft, in dem das Museum mit den etwa 15,00€ die durch den Verkauf reinkommen nicht einmal die Unkosten decken kann...
Lu: Ja – wenn sich das rein kommerziell rechnen sollte, wie etwa in unserem Fall bei Julian Rosefeldt, müsste so ein Buch weit über 100,00€ kosten.
Heißt das etwa, ihr schießt noch etwas zu euren Publikationen privat hinzu?
La: Nein. Wir arbeiten auch mit Institutionen, wie Museen, Galerien oder Geldgebern zusammen, gerade weil wir daran arbeiten, diese Kunst zugänglich zu machen, zu erhalten. Eben weil wir keine Bücher für über 100,00 € verkaufen können und das auch nicht wollen. Man will ja trotzdem, dass ein Buch herauskommt und da ist es natürlich sinnvollerer ein schönes Buch zu publizieren, als einen normalen Katalog... außer man betreibt es wie Taschen, die ihre 10.000 Auflagen auf billigem Papier in China drucken lassen, sie verramschen und dennoch Gewinn machen, weil so ein einzelnes Buch in der Herstellung eben immer noch kaum etwas kostet. Da kann der normale Kunstbuchhandel überhaupt nicht mithalten, weil die einzelnen Bücher so teuer sind, dass es kaum ohne Bezuschussung läuft.
Ihr habt keine gesicherte wirtschaftliche Ausgangslage?
Lu: Doch, doch – die Finanzierung für unsere Projekte muss stehen, sie muss gesichert sein, um überhaupt ein Projekt von solch einer Qualität machen zu können. Was wir dann im Endeffekt machen, wie etwa bei Julian Rosefeldt, ist verschiedene Katalogbudgets – in diesem Fall von drei Museen – zusammen zu packen und anstatt drei kleinere Kataloge in Bonn, Berlin etc. wirklich nur ein hochwertiges Produkt herzustellen.
Teil eurer Arbeit ist folglich auch die Suche nach Institutionen, die Geld dafür bereit stellen, damit ihr eure Bücher machen könnt?
Lu: Auch. Aber oftmals kommt das mit den Projekten mit – wenn der Künstler in Bonn eine Ausstellung macht, ist dort eben ein Budget vorhanden, das dann einfach dafür verwendet wird. Das heisst teilweise hat der Künstler einfach schon ein Budget auf Grund von Ausstellungen oder Fördergeldern, teilweise kommt etwas Geld hinzu, indem wir uns beispielsweise darum bemühen auch noch die Galerie mit einzugliedern. Es ist meistens ein Stückewerk.
Bei euch lässt sich eine unglaubliche Liebe zum Medium Buch erkennen, die aber schon weitergedacht wurde – nicht das Buch als das konservative Medium weiterspinnen „weil man es eben so macht“, sondern das Buch in Abgrenzung zum Internet denkend hinterfragen. Ihr stellt euch somit auch oder vor allem der Frage wie seine Zukunft gesichert werden kann...
La: Ja, um das Buch eben auch wieder zum schönen Objekt zu machen. Im Alltag bemerke ich das bei mir immer wieder – da ich viel unterwegs bin, sammeln sich bei mir Berge von Flughafenromanen an. Taschenbücher die handlich und schnell zu lesen sind und die ich natürlich auch eine Weile zu Hause aufbewahre. Aber das ist so schlechtes Papier, so schlechte Verarbeitung – das sind keine schönen Bücher, wie lange soll es die noch geben? Die braucht kein Mensch, die könnte man sicher auf dem Kindle besser und schneller lesen. Doch so richtig schöne Bücher, die machen Spaß, die sind was tolles und da sehe ich auch eine große Zukunft. Man sieht das ja auch immer bei den Buchmessen – Anja war jetzt gerade wieder in Berlin, ich in London – da gibt es wahnsinnig viele Leute, die sich ganz begeistert die Sachen angucken.
Lu: Ich denke wirklich, dass man dieses Vergnügen der Reize nutzen und das Buch einfach als ein Medium für die Kunst begreifen muss. Was kann es als Objekt, als Konzept, als Idee zum Kunstwerk beitragen?
Interessant hierbei scheint ja auch, dass viele Künstler diese Renaissance des Buchs für ihr Werk thematisieren und es etwa im Sinne von Gerhard Richters Bildatlas als Kunstobjekt verwenden...
Lu: Ganz genau.
La: Dabei war das Künstlerbuch eine lange Zeit aber auch eine eher merkwürdige Variante, bei der sich Leute ihr Buch selbst gemalt haben und dafür etwas belächelt wurden...
Aber dennoch gibt es ja ganz einflussreiche Künstler, wie etwa Hans-Peter Feldmann , dessen Werke reine Bücher sind – habt ihr ähnliche Vorbilder oder Einflüsse? Warum machen so viele Künstler Bücher in einer Zeit, in der keiner bereit ist mehr als 3€ für einen Flughafenroman auszugeben?
Lu: Es gibt zwei Projekte in denen das ganz explizit geworden ist. Der eine ist Lene Berg, bei der das Buch tatsächlich das Objekt geworden ist, was zu Beginn gar nicht so gedacht war. Es umfasst eine zweijährige, detailreiche Recherche. Das heißt wenn sie die Arbeit ausstellt, stellt sie das Buch aus. Hierdurch ist das Buch eigentlich auch zum Kunstwerk geworden. Mit Hannah Höch haben wir hingegen die einzige Künstlerin im Programm, die nicht zeitgenössisch ist. Hier hatten wir die Situation, dass uns ihre Arbeit „Bilderbuch“ interessiert hat, da sie ja eben genau als Buch konzipiert war. Sie hat sozusagen als Künstlerin schon im Format Buch gedacht – es sollte also ein Buch sein, dass rechts Collagen und links Texte präsentiert. Das ist natürlich ein ganz spannender Aspekt – wie denken Künstler im Medium und im Format Buch? Zu den Einflüssen, da muss ich erst einmal überlegen... also Gerhard Richter natürlich auf jeden Fall, Hans Peter Feldmann auch. Aber für mich war eigentlich am prägendsten meine Erfahrung in der langjährigen Arbeit für das Projekt Shift!, was eigentlich experimentelles Publishing war und dabei sind sehr viele Ideen und Experimente entstanden, zu der Frage was Print heute eigentlich alles sein kann. Wie weit kann man das denken und treiben und das Buch im weitesten Sinne begreifen? Gerade hier, Mitte der 90er, ist für mich eigentlich der größte Teil der Faszination entstanden, als es hieß „print is dead“.
Habt ihr denn ein paar Verlage, denen ihr euch inhaltlich wie formal verbunden fühlt?
Lu: Es gibt natürlich schon ein paar Verlage, die ein sehr schönes Programm haben – Roma Publications oder Edition Fink aus der Schweiz. Beides Verlage die auch ein Stück weiter oder konzeptioneller denken und sich nicht nur mit dem Aspekt „das ist jetzt aber hübsch“ beschäftigen, sondern eben Kunst im Buch ein Stück weiterführen.
Wie steht es eigentlich für euch mit dem Standort Berlin – warum habt ihr euch hier niedergelassen? Habt ihr überhaupt die Möglichkeit hier etwas zu verkaufen oder ist es so wie bei den meisten Künstlern, Galerien, Modelabels, die zwar in Berlin leben, aber ihr Geld in London, Paris, etc. verdienen?
La: Also die Einnahmen streuen sich bei uns sehr und da ist auch Berlin mit dabei. Ich denke sogar, dass gerade hier ein großer Teil des Kunstbuchhandels ist und dass Leute nach Berlin kommen, um eben diese Läden zu besuchen, in die Museen zu gehen und dieses Angebot, dass man in vielen anderen Teilen Deutschlands nicht hat, zu nutzen. Deshalb denke ich, dass wir gerade nicht mit Berlin als Standpunkt hadern müssen.
Lu: Also ich denke das auch, würde sogar behaupten, dass es ganz entscheidend ist, hier zu sein... gerade was unsere Zusammenarbeit mit den Künstlern betrifft. Entweder sie wohnen hier oder sind zumindest mal für ein paar Monate in der Stadt oder haben überhaupt kein Problem damit, mal für ein paar Tage nach Berlin zu kommen. Das wäre natürlich etwas anderes, wenn wir beispielsweise in Mannheim sitzen würden... (lacht)
Text: Jana Häckel, Foto: Mary Scherpe
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Monday, October 11, 2010
Interview: The Green Box
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books,
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